Glossar

Lernen Sie unsere Sprache!

Was wir tun ist neu. Für unsere Arbeit gibt es keine Berufbezeichnung, für das, womit wir arbeiten häufig keine angemessenen Begriffe. Mit diesem Glossar möchten wir Ihnen einerseits erleichtern unsere Sprache zu sprechen und andererseits tiefer in unsere Arbeit einzutauchen.

Feldtheorie

Der Begriff der Feldtheorie findet sich im 19. Jahrhundert zunächst in der Naturwissenschaft. Feldtheorie beschreibt dort die nicht lineare Wirkung von Kräften auf Objekte in einer räumlichen und zeitlichen Ausdehnung (z.B. das magnetische Feld). Die psychologische Feldtheorie wurde hauptsächlich von dem Gestaltpsychologen Kurt Lewin (1890-1947) auf die soziale Sphäre übertragen. Grundgedanke ist, dass sich das Handeln des Individuums in einem Lebensraum abspielt, das als raum-zeitliches Feld betrachtet wird. Handlungen in diesem Feld stehen in nicht linearer Wechselwirkung zueinander. Die Feldtheorie kann dabei unterstützen, diese komplexe Wirkungszusamenhänge zu betrachten. In unserer Arbeit greifen wir sowohl auf feldtheoretische als auch systemtheoretische Ansätze - je nach Erfordernis der Gestaltungsaufgabe zurück. Den scheinbaren Widerspruch beider Theorien deuten wir als verschiedene Blickwinkel auf ähnlich geartete phänomenologische Erfahrungen und deren Analyseergebnisse. Siehe auch Wikipedia: physikalische FeldtheorieWikipedia: psychologische Feldtheorie und Lexikon der Gestalttherapie.

Generativ

Das Adjektiv generativ benutzen wir entsprechend der Mustertheorie Christopher Alexanders, zur Spezifikation von Prozessen und den darin enthaltenen Schritten (Prozesssequenz), die sich rekursiv aus sich selbst heraus erzeugen. Diese Prozesse führen zu Gestaltungen, die zu Beginn des Prozesses noch nicht (vollständig) sichtbar waren. Sie geben Entwicklungen Raum, damit sich Gestaltungsziele entsprechend dem Feldverständnis formulieren lassen und Gestaltungsideen zur detaillierten Ausarbeitung gelangen. Demgegenüber lässt sich von deskriptiven Prozessen sprechen, deren Ablauf vorher genau beschrieben ist, um zu einem vorgegebenen Ergebnis zu gelangen. Üblicherweise sind das Pläne, Designs und Kontrollsequenzen z.B. in der Produktion oder der Qualitätssicherung, die auf einem funktional-kausalen Prozessverständnis beruhen. Christopher Alexander schreibt zu generativen Prozessen: "Wenn wir ein Souffle kochen, dann generieren wir das Souffle, indem wir eine Transformation zwischen Eiern, Butter, Zucker und so weiter initiieren, statt das wir versuchen, das Souffle selbst zu bauen."

Kollektive Intelligenz

Kollektive Intelligenz ist die gemeinsame Intelligenz einer Gruppe. Interessant ist jedoch wie dieses Phänomen beschrieben und erklärt wird. In der einfachsten  Definition wird KI als die Summe der Intelligenzen verstanden, die über besondere Technologien erschlossen wird. So spricht das MIT Center for Collective Intelligence bei Google oder Wikipedia von kollektiver Intelligenz: hier wird das Wissen Vieler über besondere Technologien gesammelt und verfügbar gemacht. Im Institut für Partizipatives Gestalten machen wir die Erfahrung, das KI auch eine erlebbare Erfahrung sein kann. Menschen erleben die kollektive Intelligenz einer Gruppe, wenn sie mit dieser Gruppe innerhalb eines gegebenen Kontextes in tiefen Austausch und Auseinandersetzung miteinander gehen. Das IPG definiert kollektive Intelligenz als die Intelligenz, die in einer Gruppe von Partizipateuren entsteht, die in Resonanz mit einem Feld stehen.

Methode

Griechisch: „der Weg zu etwas hin“. Ein Verfahren, das zu technischer Fertigkeit bei der Umsetzung theoretischer und praktischer Aufgaben führt. In einem partizipativen Gestaltungsprozess gibt es verschiedene Methoden, die innerhalb der verschiedenen Stufen eines Gestaltungsprozesses angewandt werden können, z.B. Beobachtungsmethoden, Analysemethoden, Verknüpfende Methoden, Bewertungsmethoden, Entwurfsmethoden etc. 

Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit verstehen wir als normative Zielbestimmung: als unseren Wunsch und das Bestreben Leben und Lebendigkeit dauerhaft zu fördern und zu erhalten. Um dieses Ziel zu erreichen ist es unserer Meinung nach notwendig generative Prozesse in Gang zu setzen, die positiven Wandel ermöglichen und Diversität fördern. Dass Nachhaltigkeit alle Sphären und Bereiche des Lebens betreffen muss und es keine Alternative zu nachhaltiger Entwicklung geben kann, scheint uns selbstverständlich. Die besten Wege und Mittel müssen jedoch immer wieder angepasst, neu entwickelt und entdeckt werden. Was Nachhaltigkeit konkret bedeuten kann, ergibt sich daher immer in Relation zum jeweiligen Kontext.

Partizipateur

In der Wissenschaftssoziologie, insbesondere den Aktor-Netzwerk Theorien existieren die Begriffe Akteur und Aktant. Akteure werden hier als Verursachende von Handlungen definiert, die nicht unbedingt menschlich sein müssen. Aktanten hingegen bezeichnen Kollektive semiotischer Handlungsfunktionen (vgl. z.B. Donna Haraway und Bruno Latour). Mit beiden Begriffen sollen Alternativen für die Subjekt-Objekt Dichotomie angeboten werden. Wir haben daraus den Begriff des Partizipateurs entwickelt, da er anders als die Begriffe Akteur und Aktant auch die dichotomische Unterscheidung zwischen Aktivität und Passivität vermeidet. Ein Partizipateur trägt innerhalb einer polydirektionalen Kommunikation dazu bei, dass Bedeutung und damit Gestaltung entstehen kann. Unter dem Begriff Partizipateur versammeln sich Menschen, nichtmenschliche Wesen und abstrakte Elemente, die auf ihre je spezifische Weise an einer Narration teilhaben und damit das gemeinsame Feld prägen.

Partizipation

Partizipation wird abgeleitet von dem lateinisch Wort ‚particeps‘ = ‚an etwas teilnehmend‘ und bedeutet soviel wie: Teilhabe, Einbeziehung, Beteiligung, Mitbestimmung und Mitwirkung. Partizipation wird häufig in politischen Kontexten als Teilhabe an Entscheidungsstrukturen verstanden. Uns geht es dagegen vor allem um die Teilhabe an Gestaltungsstrukturen.

Prozess

lateinisch: "Voranschreiten". Ein Prozess ist eine Entwicklung in der Zeit. In einem Prozess können sowohl Prozessstufen durchlaufen werden (wie z.B. in der iterativen Sukzession), ein Prozess kann aber auch kontinuierlich stattfinden und sich eher rekursiv entwickeln. Als Gestaltungsprozess verstehen wir eine sinnvolle Sequenz unterschiedlicher Methoden, die zu einer Gestaltung führt. Der Gestaltungsprozess entsteht dabei aus der Interaktion der Partizipateure, woraus sich eine flexible Wahl der Methodensequenz ergibt. Ziel unserer Arbeit ist es, generative Prozesse zu erzeugen: Prozesse die aus einer eigenen Lebendigkeit heraus zu ebenso lebendigen Resultaten führen. Diese Prozesse sind jeder für sich neu und herausfordernd. Demgegenüber werden wir häufig mit einem funktionalen Prozessverständnis konfrontiert, nach dem Prozesse als vorher definierte Abfolgen kausal zwingender Schritte konzeptioniert werden. Diese Form von Prozessen wird vor allem in der (industriellen) Produktion, im Maschinenbau, als auch bei standardisierten Verfahren z.B. im Qualitätsmanagement eingesetzt. Für die Gestaltung neuer, kontextangepasster Lösungen halten wir diese Prozesse jedoch für ungeeignet.

Qualifizierte Bewertung

Qualifizierte Bewertung verwenden wir in Abgrenzung zu persönlicher Bewertung und objektiver Bewertung. Eine persönliche Bewertung definieren wir als Bewertung, die auf Partikularinteressen gründet und somit private Interessen einer einzelnen Person oder einer Interessensgemeinschaft zum Ausdruck bringt. Das kann notwendig und erwünscht sein, kann aber ebensogut qualifizierten Bewertungen im Weg stehen. Objektive Bewertung im Sinne einer essentialistischen Wissenschaft sind unseres Erachtens nicht möglich. Wir halten es hier mit Heinz von Foerster: "Objektivität ist die Illusion, dass Beobachtungen ohne Beobachter gemacht werden können." Qualifizierte Bewertung entsteht, indem die an einem generativen Prozess Beteiligten Bewertungen formulieren, die sie auf Grundlage ihrer Auseinandersetzung und Verbindung mit dem Kontext treffen. Qualifizierte Bewertung kann demnach als Ausdrucksform des Feldes verstanden werden, deren Basis die gemeinsame Intelligenz und Feldintution der Beteiligten ist.

"Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie." Kurt Lewin