Gertrudenheim - Vielfalt in Gemeinschaft
Das Gertrudenheim ist ein Wohn- und Lebensort für Frauen und Männer mit geistiger Behinderung. Anfang Dezember 2011 haben wir vom Institut für Partizipatives Gestalten (IPG) gemeinsam mit zwanzig Bewohner_innen, Mitarbeiter_innen sowie der Leitung des Gertrudenheims und Vertreter_innen des Bezirksverbandes Oldenburg (BVO) in einer dreitägigen Planungswerkstatt Ideen zur zukünftigen Gestaltung der Freiräume entwickelt. Die so entstandenen Vorschläge sind die Basis eines von uns erarbeiteten Masterplans.
Das Gertrudenheim liegt in Oldenburg im Stadtteil Bürgerfelde. Vier Wohnhäuser, ein Mehrzweckgebäude mit Sporthalle, sowie ein eigener Werkstatt- und Beschäftigungsbereich liegen eingebettet in ein über zwei Hektar großes Freigelände, das durch die Häuser in Freiräume verschiedener Größe und unterschiedlicher Qualität gegliedert ist. Das Gertrudenheim ist eine Oase in der Stadt. Viele, die das etwas versteckt gelegene Gelände zum ersten Mal betreten, sind erstaunt, so ein grünes, parkähnliches Areal mitten in der Stadt vorzufinden und es vorher nicht gekannt zu haben.
Das Gertrudenheim hat eine über 120 Jahre lange, bewegte Geschichte hinter sich, die eng mit den Ansichten über Behinderung der jeweiligen Zeit verbunden ist. Vom Gedanken der Rehabilitation (Behinderte sind arm und hilfsbedürftig) über die Vorstellung der Integration (Behinderte müssen in die Gesellschaft integriert werden), hat sich die Behindertenbewegung seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts emanzipiert. Sie fordert seitdem eine selbstverständliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, denn „nicht der Mensch muss sich ändern, sondern die Gesellschaft“. So sind wir heute bei den Begriffen Inklusion und Konversion angelangt, d.h. wir alle sind mit unseren jeweils spezifischen Eigenschaften zusammen eine Gesellschaft, und wir ermöglichen denjenigen, die es wünschen und benötigen, sowohl Teilhabe als auch Schutzräume. Die Vorstellung von Behinderung hat sich also von einem abhängigen Passivzustand hin zum selbstbestimmten Leben in einer pluralen Gesellschaft, in der niemand behindert und an der niemand gehindert werden soll, gewandelt.
Praktisch bedeutet das zum einen, dass immer mehr Bewohner_innen in dezentralen Wohngruppen in der Stadt leben (Inklusion) und im Gertrudenheim zunehmend diejenigen betreut werden, die besonderen Schutz bedürfen. Zum anderen bedeutet es aber auch, dass sich das Gertrudenheim der Stadt stärker öffnen möchte (Konversion). Das kann unterschiedliche Formen annehmen, die in der Planungswerkstatt immer wieder angesprochen wurden und die auch in diesem Masterkonzept berücksichtigt wurden, wie z.B.:
- Studierende wohnen und helfen im Gertrudenheim
- Senioren aus dem Stadtteil gestalten ihre Freizeit hier und können sich sportlich betätigen
- Jugendgruppen, wie z.B. Pfadfinder, beleben den Ort und helfen z.B. im Wildnis- und Naturbereich mit
- Inklusives Spielen und Sport für Kinder und Jugendliche
- In Gemeinschaft gärtnern mit Menschen aus dem Stadtteil
- Kindergärten und Schulgruppen besuchen das Gertrudenheim
- Feste feiern und offene Veranstaltungen nicht nur für Bewohner_innen des Gertrudenheims
All diese Gedanken drücken sich im Motto „Vielfalt in Gemeinschaft“ aus, das wir uns gemeinsam in der Planungswerkstatt zur Neugestaltung des Gertrudenheims gegeben haben. Das Gertrudenheim möchte sich nach und nach zu einem inklusiven Ort entwickeln, an dem Gemeinschaft in Vielfalt gelebt und erlebt werden kann. Das Masterkonzept schafft nun einen Rahmen, der dieses Anliegen praktisch unterstützt, und der nach und nach konkretisiert, umgesetzt und mit Leben gefüllt werden kann.